Zwischen partizipatorischer Wirtschaft, herrschaftsfreier Vergesellschaftung und kollektiver Entscheidungsfindung
Die Herausgeber·innen dieses Buches1, Gözde Okcu, Thomas Stölner und Uwe Bittlingmayer, haben ein breites Spektrum an Autor·innen eingeladen, ihre Vorstellungen darüber, wie eine herrschaftsfreie, demokratische Wirtschaft organisiert werden könnte, einmal ganz konkret zu formulieren. Das Resultat ist ein Band mit Texten von Schriftsteller·innen, Aktivist·innen und Wissenschaftler·innen über partizipatorische Planwirtschaft, vernetzte Räte und politische Selbstbestimmung bis hin zu rechtlichen Perspektiven, philosophischen Praktiken oder reproduktiven Fragen einer zukünftigen Ökonomie.
Der Soziologe Jens Kastner und der Politikwissenschaftler John Holloway thematisieren grundlegende Werte einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Die Soziologin Ilse Lenz berichtet über Gesellschaften, in denen Frauen Macht innehaben, ohne Herrschaft auszuüben; die feministische Politologin Savvina Chowdhury referiert über Reproduktionsarbeit in einer partizipatorischen Wirtschaft und deren Begründer Michael Albert und Robin Hahnel stellen ihre Vision vor. Der Schriftsteller Ilija Trojanow bringt sich ebenso ein wie die Künstlerin Nika Dubrovsky, die mit Noam Chomsky über die Ideen von David Graeber spricht. Allen Beiträgen ist die Hoffnung gemein, der lebendigen und bunten Vielfalt der Möglichkeiten einer herrschaftsfreien Gesellschaft endlich auch in der wissenschaftlichen und öffentlichen Debatte Gehör zu verschaffen.
Das Vorwort zu dem Buch schrieb Konstantin Wecker*. Hier eine Passage: «Es ist eine kluge Idee dieses Sammelbandes über anarchistische Gesellschaftsentwürfe, Beiträge zu versammeln und miteinander in Kommunikation zu bringen, die global und regional, abstrakt, gross und zugleich konkret und praktisch denken, forschen und argumentieren. Das spüre und erlebe ich, wenn Ilija Trojanow über die Notwendigkeit nachdenkt, von herrschaftsfreien Räumen zu erzählen oder wenn Nika Dubrovsky und Noam Chomsky über feministische Praktiken in Kunst, Ökonomie und Politik sprechen oder über die Konkurrenz der Imperien und den Krieg in der Ukraine. Es wird lebendig, wenn Jens Kastner «Solidarität» als «permanente, kollektive Beziehungsarbeit» diskutiert, Michael Albert und Alexandria Shaner Ideen für eine partizipatorische Ökonomie vorstellen, Christoph Besemer sich Gedanken macht über die Entscheidungsfindung in grossen Gruppen anhand konkreter Erfahrungen in Protestbewegungen, Stephen R. Shalom über Möglichkeiten partizipativer Entscheidungsfindung in einer guten Gesellschaft oder sich Zora Weber mit antihierarchischen Gruppenbildungsprozessen und Kommunikationsformen auseinandersetzt, die für die Bildung von anarchistischen Gemeinschaften sinnvoll sind. Um nur einige der Texte beispielhaft anzusprechen.»
1 Das Buch: Anarchistische Gesellschaftsentwürfe. Zwischen partizipatorischer Wirtschaft, herrschaftsfreier Vergesellschaftung und kollektiver Entscheidungsfindung. ISBN: 978-3-89771-369-7, Erscheinungsdatum 5. Oktober 2023, unrast-verlag, 468 Seiten.
*Konstantin Wecker ist seit vielen Jahrzehnten engagierter Liedermacher. Das vollständige Vorwort findet Ihr auf der Homepage des unrast-verlages.