Seit diesem Frühjahr gibt es das neue Buch von Jean Ziegler auch auf Deutsch. Der französische Titel lautet, wörtlich übersetzt: «Der Kapitalismus – meiner Enkelin erklärt (in der Hoffnung, dass sie dessen Ende sehen wird)». In diesem Büchlein erklärt Jean Ziegler seiner Enkeltochter Zohra und ihrer Generation, welchen unmenschlichen Preis wir für das kapitalistische System zahlen und warum es «radikal zerstört» werden muss.
«In der Hoffnung, dass sie das Ende sieht» – in diesem Halbsatz wird alles gesagt. Jean Ziegler schlägt vor, dem Kapitalismus ein Ende zu setzen, denn dies ist eine Notwendigkeit für das Überleben der Menschheit und des Planeten. Der Kapitalismus zerstört alles, was er berührt, und er berührt alles. «Er ist hochgiftig, tödlich für die Natur und den Menschen. Sein Interesse besteht darin, Bevölkerungen zu spalten, den Westen zu lobotomisieren und die Völker des Südens in die Knie zu zwingen.» Trotz des deprimierenden Themas ist dieses Buch erfrischend. Jean Ziegler bleibt ein unerbittlicher Aktivist, und das trotz früherer hoher Positionen, insbesondere bei der UNO. Dieses Buch ist klar und fundiert, es ist keine wissenschaftliche Analyse des Kapitalismus, sondern eine Warnung, eine Erklärung für die Funktionsweise dieses globalisierten Systems. Wir werden unseren Planeten nicht retten können, indem wir das kapitalistische System bewahren, denn dasselbe ist es, das ihn zerstört. 2017 besassen die 85 reichsten Milliardäre der Welt Besitztümer im selben Wert wie die 3,5 Milliarden Ärmsten der Menschheit zusammen. Der Generalsekretär von Amnesty International fasst den Skandal wie folgt zusammen: «85 Milliardäre, die alle in einem einzigen Bus zusammengeführt werden könnten, nehmen so viel Eigentum in Besitz wie die ärmste Hälfte der Menschheit.» Der Kapitalismus ist als «kannibalische Weltordnung» unreformierbar. Jean Ziegler zeigt sich überzeugt, dass dessen Abschaffung eine kraftvolle Utopie ist, an deren Verwirklichung bereits Millionen von Menschen arbeiten und sich als breite Widerstandsfront formieren. Ein Buch, das man in jedem Alter lesen kann und das ich Ihnen wärmstens empfehle.
«Was ist so schlimm am Kapitalismus – Antworten auf die Fragen meiner Enkelin», C. Bertelsmann Verlag, deutsche Erstausgabe, 18. März 2019