FRANKREICH / ATOMKRAFT: Ein Anti-Atom-Netzwerk

von El, 08.11.2024, Veröffentlicht in Archipel 341

Lasst uns die Verteidigung des Bahnhofs «La Gare» vorbereiten! Vor 20 Jahren wurde eine kleine Gruppe von Anti-Atomkraft-Aktivist·innen glückliche Besitzerin des ehemaligen Bahnhofs von Luméville. Dieser liegt – strategisch günstig – auf der Trasse der zukünftigen Castor-Eisenbahnstrecke, über die das Material für die Baustelle und später die Nuklear-Abfälle zum unterirdischen Lager des CIGEO-Projekts1 bei der Gemeinde Bure transportiert werden sollen.

Seitdem hat sich «La Gare» (der Bahnhof) zu einem der pulsierenden Herzen des Anti-Nuklear-Netzwerks in Frankreich entwickelt. Dieser Ort im Departement Meuse (Maas) war seit 2005 Schauplatz Dutzender militanter und festlicher Veranstaltungen, von Widerstandscamps, Festivals, Anti-Gefängnis-Wochen sowie des Ersten Barrikadenfestes, des Treffens der Revolutionären Chöre, um nur einige der Events zu nennen. «La Gare» ist auch zu einem Ort des kollektiven Lebens (mit variabler Geometrie je nach Jahr und Jahreszeit) und zu einem Raum für politische Experimente für alle Bewohner·innen geworden, die sich dort abgewechselt haben. Dieser Ort wird von dem Verein «Tomate» verwaltet und die Entscheidungen werden horizontal in Versammlungen von den Bewohner·innen und Besucher·innen des Bahnhofs getroffen. Es geht darum, das Fortschreiten des CIGEO-Projekts zu verlangsamen – CIGEO, diese Scheinlösung der Behörden für die Atommüll-Endlagerung, die dazu dient, die Wiederbelebung der Atomenergie zu rechtfertigen.

Am Anfang des vergangenen Septembers kamen hier fast 200 Menschen zusammen, um unter dem unbeständigen Himmel über dem Département Meuse das 20-jährige Bestehen des Bahnhofs mit einer zweiten Ausgabe des Barrikadenfestes zu feiern. Die Versammlung bot die Gelegenheit, sich gemeinsam an die Geschichte der Strategie der Landaneignung zu erinnern, die von der «Nationalen Agentur für die Entsorgung radioaktiver Abfälle» (ANDRA) Hand in Hand mit der lokalen SAFER(2) verfolgt wird. Seit ihrer Gründung im Jahr 1999, als die ersten 20 Hektar von ihr erworben wurden, hat sich die ANDRA nach und nach mehr als 3000 Hektar Land angeeignet, sowohl auf dem Gelände des geplanten Projekts als auch in den umliegenden Dörfern. Diese erste Phase des sogenannten «gütlichen Erwerbs» wurde von dem berüchtigten Emmanuel Hance(3) geleitet, der mit Manipulationen, Druck, Erpressung und Schikanen arbeitete. Seit dem Dekret der «Opération d'Intérêt National» (Projekt von nationalem Interesse) und der «Déclaration d'Utilité Publique» (Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Projekts) für CIGEO im 2022 kann die ANDRA die erste Welle von Enteignungsverfahren für die ihr fehlenden Grundstücke einleiten. Im Februar 2024 erhielten 336 Eigentümer·innen die Enteignungsunterlagen, in denen ihnen angeboten wurde, einen Teil ihrer Grundstücke (wieder) zu kaufen oder einzutauschen. Zu den 569 betroffenen Grundstücken gehören das gesamte Gelände von «La Gare» und etwa ein Drittel (3,4 ha) der Gemüseparzellen, die vom Kollektiv «Les Semeuses» bewirtschaftet werden. Es versteht sich von selbst, dass die Vorschläge freundlich abgelehnt wurden. Bis zur Verkündung des Enteignungsbeschlusses und der Zahlung von Entschädigung durch die ANDRA bleibt unsere Präsenz auf dem Gelände legal. Wir sollten diese Zeit nutzen, um unsere Beziehungen zu verstärken, uns in der Region noch mehr zu verankern und um uns auf die nächste Phase vorzubereiten (d. h. die Phase der Zwangsräumung). In den verschiedenen Phasen des Enteignungs- und Räumungsverfahrens werden wir alle Rechtsmittel, die möglich sind, auch einlegen. Die Teilnehmer·innen wurden dazu ermutigt, in ihren jeweiligen Gebieten lokale Unterstützungskomitees zu gründen oder zu reaktivieren, um weiter zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Gleichzeitig ist es im Kampf gegen die von der ANDRA organisierte Verödung der Gegend wichtiger denn je, die Zahl der Menschen und Gruppen, die sich hier niederlassen, zu vervielfachen, um den Kampf noch mehr lokal zu verankern. Zunächst sollten sich so viele wie möglich in «La Gare» festsetzen, wo sich die Lebensbedingungen dank der verschiedenen Arbeiten und Baustellen (Isolierung, neue Küche usw.) bereits deutlich verbessert haben. Neben den beiden Schlafsälen bietet das Gelände viel Platz für verschiedene Arten von Unterkünften – von Zelten über Wohnwagen bis hin zu einer Vielfalt von Hütten. Ein Projekt zur Wiederbearbeitung des Gartens von «La Gare» ist ebenfalls in Planung. Auch in den anderen kollektiven Orten in der Gegend (insbesondere im «Maison de Résistance», in der «Affranchie») sowie in den zahlreichen Wohngemeinschaften, die in den umliegenden Dörfern verstreut sind, werden Neuzuzüger·innen willkommen geheissen.

Verschiedenste Aktivitäten

Als Alternative zu der von der ANDRA vorangetriebenen Atomisierung des Gebietes tragen die Aktivist·innen, gemeinsam mit den Einheimischen, dazu bei, die ländlichen Gebiete des Departements Meuse (Maas) wiederzubeleben, indem sie das Land bewirtschaften, die Tradition des kollektiven Holzschlags fortführen, Kantinen und lokale Märkte organisieren sowie Bäckereien und Dorfcafés übernehmen. Die Hindernisse, denen sie bei ihren Ansiedlungsbemühungen begegnen, verstärken nur ihre Entschlossenheit. Wenn du schon in der Gegend bist (Glückwunsch!), bist du eingeladen, so oft wie möglich die kollektiven Orte zu besuchen, indem du zum Beispiel teilnimmst an: - den wöchentlichen Einwohner·innenversammlungen, den Verteidigungssitzungen und den kollektiven Baustellen, die jeden Mittwoch im Bahnhof stattfinden; - den wöchentlichen Arbeitseinsätzen auf den Feldern von «Les Semeuses» jeden Donnerstagnachmittag, gefolgt vom Markt und einem Besuch in der Kantine und der Bar von L'Augustine; - den Abenden, die vom «Café villageois des trois vallées» (Dorfbeiz der drei Täler) in Treveray jeden Freitagabend organisiert werden.

Wir laden euch auch ein, um an den verschiedenen angekündigten gemeinsamen Arbeitseinsätzen in den nächsten Monaten teilzunehmen: Dachreparatur der «Affranchie» im September (bereits geschehen); Baustelle der «Mat-Mout» (Kollektiv der gemeinsamen Nutzung von Material) im November; Renovierung eines neuen Raumes im «Maison de Résistance» im Dezember; mehrere Holzschlagsarbeiten mit Schulungen in sanfter manueller und motorisierter Forstwirtschaft zwischen Dezember 2024 und März 2025.

Ab März 2025 beginnt das neuartige Experiment «Trois semaines à La Gare» (Drei Wochen im Bahnhof): Die Idee besteht darin, Kollektiven dreiwöchige «Residenzen» im Bahnhof anzubieten, wobei eine Woche mit der vorherigen Gruppe und eine Woche mit der nächsten Gruppe verbracht wird, um Begegnungen zwischen den Kollektiven zu fördern. Ein politisches und soziales Experiment, das Ihr Euch nicht entgehen lassen solltet! Zum Abschluss des zweiten Barrikadenfestes wurde am vergangenen 11. September eine weitere Ablehnung des Verfahrens wegen «krimineller Vereinigung» angekündigt: Das Kassationsgericht bestätigte die Freisprüche der letzten drei Aktivist·innen, die im Berufungsverfahren wegen «unbewaffneter Teilnahme an einer Zusammenrottung» verurteilt worden waren.

Um die Aktualität des Kampfes zu verfolgen, laden wir Euch ein, regelmässig die Website www.bureburebure.info sowie den Telegram-Feed «BURE à cuire!» zu besuchen. El

  1. CIGEO («Centre industriel de stockage géologique») ist ein äusserst umstrittenes Projekt, bei dem langlebiger hoch- und mittelaktiver Atommüll aus Frankreich in einer 500 Meter tiefen geologischen Formation eingeschlossen werden soll.

  2. SAFER: «Société d'aménagement foncier et d'établissement rural» (Gesellschaft für Bodenordnung und ländliche Ansiedlung), deren Aufgabe es ist, jedem Träger eines rentablen Projekts – sei es in der Landwirtschaft, im Handwerk, im Dienstleistungssektor, im Wohnungsbau oder im Umweltbereich – die Niederlassung im ländlichen Raum zu ermöglichen.

  3. Im Jahr 2017 hatte Emmanuel Hance, der Chefplaner für Aussenaktivitäten der ANDRA, bei einer Blockade von ANDRA-Maschinen die Barrikade, an der sich die Gegner festklammerten, mit Benzin übergossen.