MADAGASKAR: Mahaleo - Charles hat uns verlassen

von Hannes Lämmler, EBF, 22.10.2021, Veröffentlicht in Archipel 307

Liebe Mahaleo, Bekoto und Dama(1),

Alle vom Europäischen BürgerInnenforum und von Longo maï, die Euch kennen, denken in diesen Tagen sehr viel und liebevoll an Euch. Ihr habt wieder einen der Euren verloren.

Charles, der Soziologe, Schlagzeuger und Bauer, ist gerade von uns gegangen, um den anderen Mahaleo-Musikern und Ärzten Raoul, Nono und Dadah(2) und schliesslich Fafah zu folgen, der sagte, er sei „nur“ eine Stimme. Das Leben in Madagaskar ist rauh!

Viele Leser_innen dieser Zeilen wissen nicht, dass die Musikgruppe Mahaleo, die beliebteste und bekannteste Band Madagaskars, die Geschichte dieses Landes, aber auch unsere geprägt hat – wie John Lennon, Bob Dylan, Joan Baez, Nina Simone, Ismael Lo, Ali Farka Touré, Bob Marley, Mercedes Sosa ... Seit den 1970er Jahren habt Ihr mehrere hundert Songs komponiert und geschrieben. Ihr wisst besser als ich, dass sich Eure Lieder an vielen Orten der Welt in die Herzen Eurer Freundinnen und Freunde eingebrannt haben, die das seltene Vergnügen und die Chance hatten, Euch zu treffen. Fast alle Eure Lieder sind zu einem lebendigen Erbe der heutigen madagassischen Kultur geworden, das nun schon über Generationen hinweg an die Jüngsten weitergegeben wird. Hunderttausende kennen Eure Lieder auswendig und tragen Eure Texte in ihrer Seele.

Wenn ich Eure Lieder höre, bleibe ich der ewige Optimist trotz dem Pessimismus der Intelligenz und dem an mir nagenden Wahnsinn der Realität. Eure Lieder sind Oden an die Freundschaft, das Leben und die Weisheit. Sie schaffen es, all die Dimensionen der guten Seiten des Menschseins in Klang und Worte zu fassen. (…)

Madagaskar entdeckte Eure Stimmen und Eure ersten Lieder während des Generalstreiks 1972. Wir entdeckten Euch, die sieben Musiker von Mahaleo, im Jahr 1982 auf dem Festival „Printemps de Bourges“ in Frankreich. Einige von uns waren sofort so begeistert, dass bald darauf das Musiktheaterstück „Solaluna – Insel der Freundschaft“ entstand. Ohne damals Madagassisch zu verstehen, hatten wir dennoch das Gefühl und die Überzeugung, Eure Lieder zu verstehen – sie berührten uns. In Begleitung der Kompositionen von Karumanta, unseren gemeinsamen Freunden aus dem Feuerland in Chile, und den Liedern von Comedia Mundi, der damaligen Musikgruppe von Longo maï(3), wurde die Solaluna-Europatournee im Jahr 1983 wahr. Von Porto in Portugal über das Festival von Avignon bis zu den Wiener Festwochen konnten wir gemeinsam das Phänomen entdecken, wie dieses polyphone Werk eine vielstimmige kommunikative Atmosphäre schaffte. (…)

Diese wenigen Worte um nochmals Danke zu sagen. Und wie Ihr in „Somambisamby“ (Nostalgie) singt:

„Auch wenn der Himmel schwarz ist, verlier die Hoffnung nicht Nimm dein Schicksal in die Hand, es ist ein langer Weg, Süsse verbirgt sich in der Bitterkeit Das Leben ist voller Höhen und Tiefen. Es ist nicht leicht, es zu geniessen. Doch mit Tränen werden wir es nicht schaffen. (…) Sei stark, stell dich denen, die dich erschrecken Auch wenn sie deine Wunden wieder öffnen wollen.“ (1982)

Hannes Lämmler

  1. Die letzten lebenden Mitglieder von Mahaleo
  2. Alle Musiker von Mahaleo übten, parallel zu ihren Konzerten, immer noch ihren Beruf aus und Einige realisierten soziale, landwirtschaftliche Projekte.
  3. Europäische Genossenschaftsbewegung, Mitgründerin des EBF Hinweis: Filme, Bücher und CDs von MAHALEO finden Sie unter: https://boutique.laterit.fr/en/ Ich empfehle insbesondere das faszinierende Buch (auf Französisch) von Fanny Pigeaud: MAHALEO, 40 ans d'histoire(s) de Madagascar (Mahaleo, 40 Jahre Geschichte(n) von Madagascar) von Editions LATERIT.