Die Erklärung der «ausserordentlichen Lage» war für uns alle ein Schock. Menschen ohne Papiere und ohne Zuhause wurden vom Pandemie-Ausnahmezustand besonders hart getroffen. In der Anlaufstelle für Sans-Papiers in Basel empfingen wir von Existenzängsten und Isolation betroffene Menschen.
Es kam so plötzlich und überrumpelte uns alle. Seither blieb in der «Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel» keine Zeit, die Sachlage zu analysieren. Knapp reichte die Kraft für den Austausch mit den Beratungsstellen in den anderen Kantonen. Die Neuigkeiten zu den Regularisierungsprogrammen in Portugal und Italien bekamen wir nur am Rande mit. Für die Sans-Papiers ist die Lage auch nach den ersten Lockerungen weiterhin existenzbedrohend. Von einem Tag auf den anderen haben alle ihre Arbeit verloren. Sie können aber kein Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe beziehen und haben kaum Erspartes. Damit sie etwas zum Essen haben und ihre Wohnung nicht verlieren, leisten wir finanzielle Soforthilfe. Ob das Geld auch über den Sommer hinweg reichen wird, wissen wir nicht. Zu Beginn war in Basel für die Sans-Papiers nicht einmal der Zugang zu den Covid-19-Testzentren gewährleistet. Immerhin hat sich diesbezüglich die Situation entschärft und alle können sich nun auch ohne Krankenkasse testen lassen. Viele Sans-Papiers leben in beengten und prekären Wohnverhältnissen und können sich nicht in einem gemütlichen Zuhause zurückziehen. Aufgrund der erhöhten Polizeipräsenz ist ans Spazieren gehen gar nicht zu denken. Mit regelmässigen Anrufen versuchen wir die psychischen Folgen der Isolation zu lindern. Ob wir aber für die Zukunft Perspektiven aufbauen können, wissen wir nicht.
In dieser Krisensituation haben wir als Anlaufstelle die Pflicht, offen zu bleiben und unser Bestes zu tun, auch für all die, welche zum ersten Mal mit uns in Kontakt treten. Seit über zwei Monaten haben wir neben dem offenen Beratungsfenster am Dienstagnachmittag jeweils den ganzen Montag offen und führen Erstberatungen durch. Für die politische Arbeit bleiben uns neben den Beratungen und der Soforthilfe kaum Ressourcen. Zu Beginn der Krise haben wir zusammen mit den Sans-Papiers-Kollektiven in Basel den politischen Appell «Sans-Papiers haben Rechte – auch in der Krise!» veröffentlicht. Darin haben wir folgende Forderungen aufgestellt:
- einen umfassenden Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle, also auch für Sans-Papiers,
- keine Personenkontrollen über den Aufenthaltsstatus und keine Meldungen an die Migrationsbehörden,
- wirtschaftliche Unterstützung bei Arbeitsausfällen,
- keine Wegweisungen, keine Ausschaffungshaft und keine Strafen wegen rechtswidrigem Aufenthalt,
- Beachtung der Folgen der Krise in Regularisierungsverfahren.
Ob der Appell in diesem ganzen Trubel Gehör findet? Die Coronakrise zeigt uns in aller Härte, wie die Privilegien in unserer Gesellschaft verteilt sind und dass für die Schwachen unter uns die Mühlen immer langsamer mahlen als für die Mächtigen. Wir warten immer noch auf die Antwort des kantonalen Migrationsamtes zu drei Härtefallgesuchen, welche wir bereits seit langen eineinhalb Jahren eingereicht haben. Über ein Basler Regularisierungsprogramm, welches allen Menschen den Zugang zur sozialen Sicherheit und medizinischen Grundversorgung wirklich ermöglichen würde, wagen wir gar nicht zu träumen. Wir hoffen einfach, dass wir die Kraft finden, um weiterhin offen zu bleiben.