Polizei-Einsatz gegen Antifaschisten am 8. Mai in Demmin (MV): Erklärung und Protestbrief des Europäischen Bürgerforums

von EBF Deutschland, 01.06.2014

Hintergrund: In der mecklenburgischen Kleinstadt Demmin finden am 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung vom Nazifaschismus, jedes Jahr NPD-Aufmärsche statt, bei denen der Nazismus verherrlicht, das Kriegsende und die Opfer der russischen Besatzung betrauert werden. Am vergangenen 8. Mai 2014 haben sich wie jedes Jahr wieder viele Menschen und mehr als 30 Organisationen an Mahnwachen, Friedensgebeten und bunten Demonstrationen gegen den NPD-Aufmarsch beteiligt. Die friedlichen Sitzblockaden, die den NPD-Aufmarsch aufhalten sollten, wurden von der Polizei mit brutaler Gewalt aufgelöst. Dabei wurde ein junger Franzose von der Polizei geschlagen und so lange misshandelt, bis er das Bewusstsein verlor und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Die folgende Erklärung des Europäischen Bürgerforums enthält weitere Einzelheiten, ebenso der Beitrag im NDR-Nordmagazin vom 9. Mai zu den Vorfällen, ein Amateur-Video auf Vimeo sowie ein Foto-Stream auf Flickr.
Wir bitten Sie, Protestbriefe an den Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern sowie die Abgeordnete des Wahlkreises, Bundeskanzlerin Angela Merkel, zu schicken:

Landesregierung Mecklenburg Vorpommern
Minister des Inneren Lorenz Caffier
Alexandrinenstr. 1
D-19055 Schwerin

Dr. Angela Merkel, MdB
Wahlkreisbüro
Ossenreyer Str. 29
18439 Stralsund

Wir haben einen Briefvorschlag entworfen (siehe unten) - bitte diesen mit Datum, Unterschrift, Titeln (falls vorhanden), Organisation und Adresse versehen oder einen eigenen Brief formulieren. Für eine Kopie an uns (EBF Deutschland, Hof Ulenkrug, Stubbendorf 68, 17159 Dargun, Fax: +49-399 59-20 399, Email: de@forumcivique.org) wären wir Ihnen sehr verbunden!

Erklärung

Am 8. Mai 1945 unterzeichnete die militärische Führung des untergegangenen „Dritten Reiches“ die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht mit den Alliierten Siegermächten, USA, UDSSR, Frankreich und England. Zu diesem Datum der Befreiung Deutschlands vom Nazismus hat in diesem Jahr, 69 Jahre später, die NPD in Demmin, einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern, zu einem Fackelmarsch aufgerufen, zum Gedenken an diejenigen, die in den letzten Kriegstagen in Demmin Selbstmord begangen hatten.

Gegen diesen Marsch hatten zahlreiche Organisationen im ganzen Bundesland und darüber hinaus aufgerufen, in unterschiedlichen Formen zu protestieren. In Demmin selbst besteht das „Aktionsbündnis 8. Mai“, ein offener Zusammenschluss von Bürgern-innen der Stadt und Umgebung, der sich seit mehreren Jahren mit diesem seit 2006 jährlich stattfindenden Marsch der NPD auseinandersetzt. Mehr als 30 verschiedene Organisationen hatten verteilt über die Stadt Mahnwachen angemeldet, an denen sich Menschen versammelten und informierten. Insgesamt kamen ungefähr 800 Personen zu den unterschiedlichen friedlichen Protesten. Der Rabbiner von MV nahm an dem organisierten Spaziergang zu den historischen Orten der nationalsozialistischen Herrschaft und dem Gedenken am jüdischen Friedhof teil. Auch an den Gedenksteinen für die gefallenen sowijetischen Soldaten legten viele Menschen Kränze nieder. Die Kirchen luden zu einem Friedensgebet ein.

Ein großer Teil der Menschen war entschlossen, in Form von friedlichen Sitzblockaden, die als spontane Versammlung den Schutz des Versammlungsrechtes haben, den Umzug der ungefähr 200 Anhänger der NPD zu verhindern. Ungefähr 500 Polizisten waren im Einsatz mit dem offiziellen Ziel, das Versammlungsrecht aller zu garantieren.

Die Situation in der Stadt war so lange friedlich, bis gegen 20 Uhr der Marsch der NPD begann.

An vielen Orten, wo Gruppen und Initiativen der geplanten Route im Wege waren, wurden sie mit brutaler Gewalt durch die Polizei vertrieben. Ab diesem Zeitpunkt verfolgte die Polizei nur noch das Ziel, den Marsch der NPD mit Gewalt gegen alle Proteste durchzusetzen. Ihr Auftreten verbreitete Schrecken und Panik unter den Menschen. Bei dem Einsatz wurde ein junger Mann aus Frankreich von einer Polizeieinheit so lange geprügelt und zu Boden gedrückt, bis er das Bewusstsein verlor und in dem gerufenen Rettungswagen in künstliches Koma versetzt werden musste. Vor seiner Misshandlung waren ihm Handschellen angelegt worden. Ein zu Hilfe eilender Arzt wurde von der Polizei abgewiesen, ebenso ein Übersetzer. Ein weiterer Teilnehmer der Proteste wurde von einem Polizeihund gebissen. Zum Schluss bedrohte die Polizei die Protestierenden mit zwei Wasserwerfern und kesselte viele so lange ein, bis die NPD ihre Kundgebung beendet und aufgelöst hatte.

Im Widerspruch zu allen Augenzeugenberichten beschuldigt die Polizei im Nachhinein den jungen Franzosen, drei Polizisten verletzt zu haben, und bezeichnet viele Teilnehmer der Proteste als „linke gewaltbereite Klientel“.

Seit Jahren wird in ganz Deutschland das Verbot der NPD verlangt, eine Forderung, mit der der Innenminister von MV sich besonders profiliert hat. Wir stellen fest, dass die Wirklichkeit aber eine ganz andere ist. Wir verlangen eine Erklärung der Regierung von MV und der Verantortlichen vor Ort, weshalb Demonstrationen dieser Partei, die den Nazismus nahezu verherrlicht, mit Polizeigewalt gegen alle Proteste durchgesetzt werden. Am 8. Mai handelt es sich um den Versuch einer Revision der Geschichte, den die Regierung mit Polizeigewalt schützt.

Foto: mit freundlicher Genehmigung von Sören Kohlhuber, 2014 - https://www.facebook.com/soeren.kohlhuber