Unter diesem Titel fand am 23. und 24. Oktober 2019 auf der «Domaine de Villarceaux» in der Nähe von Paris die nationale Tagung von SOS-Forêt 1 statt – in einem entscheidenden Moment des Wandels und der Neuorientierung für die Zukunft der Wälder in Frankreich. Werden wir angesichts der bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels der Natur und dem Ökosystem, also den lebenden Wäldern, den Vorrang einräumen oder aber den Monokulturplantagen, die die Rentabilität unserer Wälder besser sichern sollen? Wollen wir wirklich diese bewaldeten Wüsten mit ihren dunklen, monotonen Reihen aus dicht gedrängten Bäumen mit sehr geringer Artenvielfalt, in denen man selten Vogelgezwitscher hört? Während der Konferenz wurde eine Reihe von Themen angesprochen, wie z.B. «Der Wald als gemeinsames Gut», «Der aktuelle ökologische Zustand der Wälder», «Die Holzverarbeitung» und «Die lokale Zusammenarbeit innerhalb des Sektors». In diesem Artikel werde ich nur auf die grosse und komplexe Frage der Beziehung zwischen Wald und Klima eingehen, die Gegenstand der ersten Sitzung war. Wir wollen zunächst drei Aspekte dieses Themas identifizieren. Der erste betrifft die Auswirkungen des Klimawandels, die bereits in den französischen Wäldern zu beobachten sind, und die Frage, wie ihre Widerstandsfähigkeit gestärkt werden kann – mit welchen Baumsorten und Bewirtschaftungsmethoden. Der zweite bezieht sich auf die dringende Notwendigkeit, die Kohlenstoffassimilation der Wälder zu erhöhen. Der dritte Aspekt schliesslich hängt mit einer anderen Dringlichkeit zusammen, nämlich mit dem Energiewandel, insbesondere der Stellung von Wald und Holz im Mix der erneuerbaren Energien, welche die fossilen Brennstoffe und die Kernkraft ersetzen sollen2.
Die Auswirkungen
Raphaël Kieffert, Förster beim Nationalen Forstamt Frankreichs (ONF) in den Ardennen: «Wir beobachten in unserer Gegend eine brutale Beschleunigung der Auswirkungen des Klimawandels. In den Ardennen wurden wir sehr stark von Angriffen auf die gemeine Fichte durch ein kleines Insekt, den Borkenkäfer, betroffen. Er durchbohrt die Rinde des Baumes und gräbt Galerien ins Holz. In sechs Monaten können 40 Meter hohe Bäume von diesen Insekten getötet werden. Wir haben viele Fichtenplantagen, ohne Laubhölzer oder andere Nadelhölzer. Flächen von bis zu 150 oder sogar 200 Hektar werden von diesen Insekten völlig verwüstet. Der Klimawandel und vor allem wärmere Temperaturen haben dieses Insekt exponentiell wachsen lassen.»3 Für die Förster ist die Herausforderung enorm und beispiellos. Es geht darum, entweder der Natur und den Ökosystemen zu vertrauen oder massive Ernte- und Pflanzungseingriffe zu planen. Philippe Canal, Sprecher der Intersyndicale (Gewerkschaftsverband) beim ONF, mahnt uns, bescheiden zu sein: «Wir müssen erst einmal beobachten und akzeptieren, unwissend zu sein. Wir wissen nicht, wie sich das Klima im nächsten Jahr oder auch in zehn Jahren entwickeln wird. Es ist also dringend notwendig, Beobachtungssysteme einzurichten, um die Vorgänge und Reaktionen in unseren Beständen verfolgen und analysieren zu können. Nur so können wir erkennen, welcher Wald am besten widersteht; sowohl in Bezug auf die Baumsorten, aber auch in Bezug auf den Waldtyp, ob es sich um Plantagen oder natürlich regenerierte Bestände handelt. Wir denken, dass das Ökosystem eine gewisse Anzahl von Antworten und Lösungen bieten wird, aber wir müssen ihm Zeit geben, sich auszudrücken. Für uns ist klar, dass wir uns nicht auf den Mythos der Wunderarten einlassen dürfen, die aus Nordafrika oder anderswo kommen und künstlich aufgeforstet werden. Vielmehr müssen wir durch mehrere Arten von Beständen eine Vielzahl von Antworten entwickeln und sicher nicht mit industrieller Aufforstung. Menschen, die sich für die Pflanzung von exotischen Arten einsetzen, von denen wir nicht wissen, ob sie sich halten oder nicht, wollen den Unternehmen und den Baumschulen Arbeit verschaffen. Oder eine bestimmte Branche der Industrie benötigt schnell Holzprodukte für ihre Tätigkeit – aber all dies ist extrem riskant. Man muss klug sein und sich Zeit lassen. Wir sind in einer neuen Welt gelandet. Wir glauben nicht, dass das, was wir im Moment erleben, ‘nur’ eine Krise ist, denn das würde bedeuten, dass es danach eine Rückkehr zum Gleichgewicht geben wird. Wir können sehen, dass die Dinge sich vervielfachen und immer schlimmer werden. Es ist eine unkontrollierbare Entwicklung, der wir beiwohnen. Auf europäischer Ebene sind die Auswirkungen der Ereignisse aus sanitärer Sicht heute die gleichen wie bei den Stürmen von 1999, nur dass die Auswirkungen damals aufhörten, sobald der Sturm sich legte. Was wir heute sehen, wird nicht aufhören. Es gibt einige Baumarten, bei denen es zwei oder drei Jahre dauert, bis sie nach einem klimatischen Zwischenfall langsam eingehen. Es ist also besser, im Sinn unserer Grundlagen zu bleiben, also die Natur nachzuahmen, ihre Arbeit zu unterstützen, aber nicht den Zauberlehrling spielen zu wollen auf der Basis von zukünftigen Klimahypothesen, die wir nicht kennen. Das wäre so, als würde man in einem Casino Roulette spielen. Wir müssen unsere erste Mission erfüllen, nämlich: Erhalt des Waldbestandes, denn er schützt die Wasserreserven, fixiert den Kohlenstoff, erhält die Biodiversität, verhindert Erosion und schützt den Boden und die Menschen». Fortsetzung im nächsten Archipel
- Die Zusammenfassung wird auf www.sosforet.org veröffentlicht.
- Die aktuelle Expansion der industriellen Energieerzeugung aus Biomasse, v.a. mit Holz, ist gefährlich. Das Verbrennen von Holz statt Kohle ist völlig kontraproduktiv. Zahlreiche Studien zeigen, dass das Verbrennen von Holz mehr CO2 Emissionen verursacht als das von Kohle.
- Alle Zitate in diesem Artikel sind Auszüge aus Interviews von Radio Zinzine während dieser Tagung; daraus entstand eine Serie von drei Sendungen unter dem Titel «Forêts vivantes ou déserts boisés», nachzuhören auf www.radiozinzine.org