FRAUEN GEGEN ATOMARE AUFRÜSTUNG; Mahnwache hinter Gittern

de Susan Crane und Susan van der Hijden, 9 sept. 2024, publié à Archipel 339

Elu Iskenius, ein Archipel-Leser in Deutschland, hat uns folgenden Text zukommen lassen, in welchen der Widerstand von zwei Frauen gegen die atomare Aufrüstung, insbesondere gegen den Atomwaffenstandort Büchel/Eifel beschrieben wird.

Liebe Redaktion von Archipel, Eure letzte Ausgabe war wundervoll. Die vielen positiven Beispiele basisdemokratischer, zivilgesellschaftlicher Aktivitäten, das macht Mut zum Weitermachen. Hier eine Ergänzung über zwei mutige Frauen, die zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt JVA Rohrbach (bei Mainz) ihre «Mahnwache hinter Gittern» abhalten:

Susan Crane, 80 Jahre, ist Lehrerin, Mutter, Grossmutter, Kriegssteuerverweigerin, gewaltfreie Antiatomwaffenaktivistin und aktive Gegnerin jeglichen Krieges. Sie ist US-Bürgerin aus Kalifornien und gehört der Catholic-Worker-Bewegung in den USA an. In den letzten 5 Jahren lebte sie in einem Haus für Obdachlose in Reedwood City. Wegen ihrer vielen antimilitaristischen Aktionen im Rahmen von Pflugscharaktionen verbrachte sie bisher 6 Jahre ihres Lebens im Gefängnis. Nun verbüsst sie ihre Ersatzfreiheitsstrafe von 229 Tagen wegen mehrmaligen Eindringens in den Atomwaffenstandort Büchel/Eifel. Dort lagern etwa 20 amerikanische Atombomben, jede ein Vielfaches an der destruktiven Energie einer Hiroshimabombe. Deutsche Soldaten üben dort ebenfalls den Atomwaffenkrieg, was völkerrechtswidrig ist und der Massenmord bedeutet. Zurzeit wird dieser Stützpunkt für mehr als 1,5 Milliarden Euro umgebaut, um die neuen Atomwaffen B-61-12 und die neuen Tarnkappenbomber F-35, die mindestens 10 Milliarden Euro kosten sollen, dort unterzubringen. Zusammen mit den neu aufzustellenden Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden bedeutet diese atomare Aufrüstung eine erhöhte Gefahr für einen Dritten Weltkrieg.

Bereits fünfmal drang Susan Crane in den Militärstützpunkt ein, um gegen dieses Unrecht zu protestieren. «Die vier Aktionen, an denen ich 2019 teilnahm und für die ich nun verurteilt werden soll, waren der Versuch, dem Unrecht Einhalt zu gebieten: Die kriminelle Planung und Vorbereitung eines Atomwaffenangriffes auf dem Atomwaffenstützpunkt Büchel verstösst gegen das internationale humanitäre Gesetz, gegen internationale Verträge und verletzt die Hager Kriegskonvention, die Nürnberger Prinzipien und auch den Weiterverbreitungsvertrag (NPT) – obwohl die USA sowie Deutschland an ihn gebunden sind.» Ihren bis Dezember 2024 dauernden Aufenthalt im Gefängnis sieht sie als «Mahnwache hinter Gittern». Sie würde sich freuen, wenn ihre Dauermahnwache vor den Gittern auch sichtbar gemacht wird.

Susan van der Hijden

Die zweite mutige Frau, Susan van der Hijden, ist 55 Jahre alt und stammt aus den Niederlanden und schloss sich ebenfalls dort den «Catholic Workers» – einer christlichen pazifistischen Basisbewegung in Amsterdam – an. Schon 1998 und 2000 nahm sie an Pflugscharaktionen gegen die nukleare Aufrüstung in England teil. 2023 organisierte sie am Atomwaffenstützpunkt Völkel in den Niederlanden zusammen mit anderen Aktivist·innen die «Rosa Schaufel-Aktion» zur Untergrabung der Umzäunung dieses Atomwaffenstützpunktes, um gegen die atomare Teilhabe der Niederlande zu protestieren. Sie nahm ebenfalls an den Büchler Aktionen des zivilen Ungehorsams 2018 und 2019 teil und wurde deshalb zu 115 Tagessätzen verurteilt. Statt zu bezahlen, bevorzugt sie, wie die andere Susan, die Mahnwache hinter Gittern. Vor Gericht verteidigte sie sich mit den Worten: «Ich habe kein grosses Vertrauen in die Gesetze, die statt uns Bürger und Menschen nukleare Waffen schützen, die eine Gewalt gegen die Armen bedeuten. Zäune sind wichtiger als menschliches Leben.... Ich habe gesehen, wie in Kansas City, wo die Büchler Bomber hergestellt werden, durch Uranminen und Waffenfabriken Menschen ihr Leben durch Krebs und andere strahlenbedingten Krankheiten verloren haben. Das dort in Waffen investierte Geld ist der Raub an den Ärmeren in unserer Gesellschaft. Es könnte für Gesundheit und Bildung ausgegeben werden. Ich tat, wofür ich von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden bin, aber ich bin nicht schuldig. Ich bin stolz auf diese Tat. Ich wünschte mir, mehr tun zu können.»

Brief aus dem Gefängnis

(…) Wir sitzen in einer Gefängniszelle, 123 km vom Luftwaffenstützpunkt Büchel entfernt, wo ca. 20 US-Atombomben stationiert sind. Derzeit wird die Landebahn in Büchel umgebaut, um Platz für die neuen F-35-Kampfflugzeuge zu schaffen, welche die neuen B61-12-Atombomben tragen werden, die in den USA entwickelt und gebaut wurden. Die Planung, Vorbereitung, der Besitz, der Einsatz, die Drohung oder der Gebrauch dieser B61-Bomben ist illegal und kriminell. Die USA, Deutschland und die NATO wissen, dass jede Atombombe vom Typ B61 unnötiges Leid und viele Opfer unter Soldaten und Zivilisten verursachen und massenhaft Krebs, Keloide und Leukämie auslösen, bei Ungeborenen zu Missbildungen führen und die Nahrungsmittelversorgung vergiften würde.

«Wir haben kein Recht zu gehorchen», sagt Hannah Arendt. Obwohl unsere Aktionen sinnlos erscheinen mögen, verstehen wir, dass es unser Recht, unsere Pflicht und unsere Verantwortung ist, uns gegen die Planung und Vorbereitung des Einsatzes dieser Waffen zu stellen. Sie sind illegal gemäss dem Atomwaffensperrvertrag, den sowohl Deutschland als auch die USA unterzeichnet und ratifiziert haben, sowie gemäss der Haager Konvention, der Genfer Konvention und der Nürnberger Charta. (…) Wir wachen jeden Tag mit der festen Freude auf, unsere «Mahnwache hinter Gittern» fortzusetzen. Eine Freude, die durch das Wissen eingeschränkt wird, dass die anderen Frauen hier leiden, weil sie von ihrer Familie und ihren Kindern getrennt sind, ständige körperliche oder psychische Probleme haben oder weil sie den ganzen Tag in einer Zelle eingesperrt sind und nichts tun können. Wir können nur «Mahnwache hinter Gittern» halten, weil uns Menschen so viel Unterstützung geben (…) Susan Crane und Susan van der Hijden, Justizvollzugsanstalt Rohrbach, Juni 2024

Der vollständige Brief sowie weitere Informationen sind zu finden auf der Website: http://brot-und-rosen.de. sowie: www.noelhuis.nl/kernwapensweg.

Wer den Friedensaktivist·innen ins Gefängnis schreiben will, hier ihre Adresse, mittlerweile im «Offenen Vollzug» in Koblenz: Susan Crane, Susan van der Hijden JVA Koblenz Offener Vollzug Simmerner Str. 14.a 56075 Koblenz

Widerstand gegen Atomwaffen in Deutschland

Insgesamt wurden seit den frühen zweitausender Jahren über 100 Personen wegen ihrem zivilen Ungehorsam in Büchel verurteilt, 18 davon traten bewusst ihre Mahnwache hinter Gittern an als konsequenten Schritt in ihren Protesten gegen die uns alle bedrohende atomare Katastrophe. In diesem Jahr werden zwei weitere Aktivisten aus Büchel ihre Mahnwache hinter Gittern antreten: Der US-amerikanische Vietnamveteran Dennis Duval aus Sachsen, dem sogar anschliessend die Ausweisung aus Deutschland droht, und der Herforder Gerd Bünzly, der wegen seiner Büchelaktionen dann das vierte Mal ins Gefängnis geht.

Wer mehr Informationen zum gewaltfreien zivil-ungehorsamen Widerstand gegen Atomwaffen in Deutschland wissen möchte, kann sich gerne an Ernst-Ludwig Iskenius (iskenius@ippnw.de) wenden.